Informationen zu verschiedenen Impulskontrollstörungen, engl. „body-focused repetitive behaviors“ – kurz: BFRBs
Körperbezogene Impulskontrollstörungen können als exzessives Selbstpflegeverhalten beschrieben werden. Dieses beinhaltet das Ziehen, Zupfen oder Kratzen an Haut, Nägeln oder Haaren und kann zu körperlichen Schäden führen.
Abgrenzung der einzelnen BFRBs
Verschiedene Formen körperbezogener Impulskontrollstörungen treten oft gemeinsam auf. So haben etwa 50 Prozent der Betroffenen mehr als eine körperbezogene Impulskontrollstörung. In den Diagnosesystemen sind die einzelnen Störungen häufig nur verstreut zu finden, und nur Trichotillomanie (zwanghaftes Haareausreißen) und Dermatillomanie („Skin Picking“) wurden bisher als eigenständige Störungsbilder in das Diagnostische und Statistische Manual Psychischer Störungen (DSM-5; APA, 2013) aufgenommen und somit offiziell als psychische Erkrankungen anerkannt. Andere körperbezogene Impulskontrollstörungen, wie das Lippen-Wangen-Beißen, fallen in die Kategorie „Nicht näher bezeichnete Zwangsstörung und verwandte Störung“ und werden außerdem unter den Haut-, Zahn- und Mundkrankheiten geführt.
Krankheitshäufigkeit
Studien legen oft unterschiedliche Diagnosekriterien zugrunde, sodass seriöse Schätzungen über die Störungshäufigkeit schwierig sind. Milde Formen von körperbezogenen Impulskontrollstörungen finden sich je nach Studie bei über 90 Prozent der Befragten; die Häufigkeit sinkt zumeist auf etwa 5 bis 10 Prozent, wenn körperliche Schäden und psychische Probleme als weitere Kriterien hinzugenommen werden (Houghton et al., 2018; Moritz et al., 2024; Solley & Turner, 2018). In einer Studie mit 1.481 Teilnehmenden gaben etwa 84 Prozent an, derzeit unter einer milden Form einer BFRB zu leiden (Moritz et al., 2024). Im Laufe des Lebens berichteten sogar bis zu 97 Prozent mindestens einmal eine milde BFRB. In dieser Studie zeigten etwa 24 Prozent der Personen eine BFRB mit erheblichen psychischen und/oder körperlichen Schäden (Moritz et al., 2024).
Behandlungsmöglichkeiten
Körperbezogene Impulskontrollstörungen sind wie ein „perfekter Sturm“, das heißt, es müssen mehrere Faktoren zusammentreffen, um das volle Störungsbild hervorzurufen. Ein Faktor allein bietet normalerweise keine ausreichende Erklärung.
Das Störungsbild umfasst oft mehrere Komponenten, die verschiedene Behandlungsstrategien erfordern:
a) Sensorische Komponente
- Viele Betroffene berichten bereits vor dem Eintreten der Störung von körperlichen Faktoren, die das Auftreten begünstigen. Beispielsweise kann trockene Haut das Skin Picking fördern. Ebenso können dünne Nägel ein Risikofaktor für Nägelkauen sein.
- Für den sensorischen Drang gibt es eine ganze Reihe von Strategien (z.B. Cremes gegen das Skin Picking, eine Nagelfeile in der Tasche gegen das Nägelkauen), die wir in der Kategorie Hilfreiches zusammenfassen.
b) Verhaltenskomponente
- Viele Verhaltensweisen beruhen auf Angewohnheiten. Wiederholt man diese oft genug, werden sie zu Ritualen. Wurde das ritualisierte Verhalten einmal begonnen, ist es schwer, es wieder zu stoppen.
- Zur Verfügung stehen viele Behandlungsmöglichkeiten, die auch in kontrollierten Studien einen Nutzen gezeigt haben. Die meisten Belege zur Wirksamkeit gibt es für die Reaktionsumkehr, das sogenannte „Habit-Reversal-Training“. Die Methode der Entkopplung und der Entkopplung in sensu hat sich in Studien ebenfalls als effektiv erwiesen. Diese Techniken veranschaulichen wir unter Selbsthilfetechniken und Videos.
c) Psychologische Komponente
- Stress, geringes Selbstwertgefühl oder die Sorge um das eigene Aussehen tragen ebenfalls dazu bei, dass eine Störung auftritt oder sie sich verschlimmert.
- Zur Unterstützung bei und zur Behandlung von psychischen Problemen haben Prof. Moritz und Kolleg*innen die App COGITO entwickelt, die Sie kostenlos im Play Store bzw. App Store beziehen können (verfügbar für Android und iOS).
Literatur
American Psychiatric Association. (2013). Diagnostic and statistical manual of mental disorders (5th ed.). https://doi.org/10.1176/appi.books.9780890425596
Houghton, D. C., Alexander, J. R., Bauer, C. C. & Woods, D. W. (2018). Body-focused repetitive behaviors: More prevalent than once thought? Psychiatry Research, 270, 389–393. https://doi.org/10.1016/j.psychres.2018.10.002
Moritz, S., Scheunemann, J., Jelinek, L., Penney, D., Schmotz, S., Hoyer, L., Grudzień, D. & Aleksandrowicz, A. (2024). Prevalence of body-focused repetitive behaviors in a diverse population sample – rates across age, gender, race and education. Psychological Medicine, 54(8), 1552–1558. https://doi.org/10.1017/S0033291723003392
Solley, K. & Turner, C. (2018). Prevalence and correlates of clinically significant body-focused repetitive behaviors in a non-clinical sample. Comprehensive Psychiatry, 86, 9–18. https://doi.org/10.1016/j.comppsych.2018.06.014